Skip to content
Dark Mode Light Mode

Demna Gvasalia im Interview: Wie Vetements die Modewelt neu denkt

Demna Gvasalia Demna Gvasalia

Der globale Modemarkt steht unter enormem Druck: zu viele Kollektionen, zu wenig Zeit, zu viel Marketing. In diesem Umfeld bringt Demna Gvasalia, Gründer des Kollektivs Vetements und Chefdesigner bei Balenciaga, eine radikal neue Perspektive. Er sieht sich nicht als Modemacher, sondern als „Kleidermacher“ – jemand, der Kleidung entwirft, nicht Mode diktiert. In diesem Interview gibt er exklusive Einblicke in seine Arbeitsweise, Haltung und warum die Zukunft nicht den Trends, sondern den Menschen gehört.

Die Ursprünge: Vom georgischen Chaos zur Pariser Subkultur

Eine Jugend zwischen Umbruch und Stilpluralität

Demna Gvasalia wuchs in Georgien auf – in einer Zeit, in der sich die Welt über Nacht veränderte. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion strömten westliche Einflüsse ins Land: Vogue, Hip-Hop, Goth, Rave. Für Gvasalia war das keine Entscheidung für einen Stil, sondern ein Hunger nach allen.

„Ich wollte alles auf einmal – es war eine soziale Bulimie.“

Pariser Start – Vetements beginnt im Wohnzimmer

Die Idee zu Vetements entstand in Paris, nicht aus Überzeugung, sondern aus praktischen Gründen. Er und zwei befreundete Designer arbeiteten unter der Woche bei großen Labels, am Wochenende nähten sie in seiner Wohnung.
Ein neuer Modestil nahm Form an: unperfekt, roh, ehrlich.

Lese auch:
Modetrends 2025: Diese Styles tragen wir wirklich!

Vetements: Konzept, Kollektiv und Kollaboration

Ein Label ohne Regeln – und doch mit Haltung

Vetements ist kein klassisches Modelabel. Es besteht aus einem wechselnden Kollektiv, produziert nur zwei Kollektionen pro Jahr und nutzt den Kalender der Haute Couture nur taktisch: während andere Vor-Kollektionen zeigen, geht Vetements auf die Bühne.

Tabelle: Vetements auf einen Blick

MerkmalErklärung
GründungsortParis (ursprünglich war Berlin geplant)
GründungsjahrCa. 2014
StrukturDesignerkollektiv ohne feste Hierarchie
StrategieZwei Kollektionen jährlich, außerhalb klassischer Zyklen
KollaborationenLevi’s, Carhartt, Manolo Blahnik, Comme des Garçons

Subkultur statt Luxus – Mode für die Straße

Vetements spielt mit Uniformen, Streetwear, Ironie. Präsentiert wird nicht im Grand Palais, sondern in chinesischen Restaurants, Clubs oder Kaufhäusern – um nah am echten Leben zu bleiben. Kein französischer Chic, sondern internationaler Realismus.

„Wir wollten Kleidung für unsere Freunde machen, nicht für Laufstege.“

Systemkritik: Warum Demna kein Rebell sein will – und trotzdem einer ist

Die Modewelt ist alt – Vetements ist jung

Paris, so Gvasalia, sei lange Zeit von Chichi und Konzernen erstickt worden. Junge Designer hatten keinen Platz. Vetements schuf sich diesen Raum selbst – gegen Widerstände und ohne Zustimmung der Fédération de la Haute Couture.

„Als wir das erste Mal in Paris zeigen wollten, schüttelte man nur den Kopf.“

Rebellion? Nein. Realismus!

Vetements wird oft als Anti-Fashion bezeichnet. Gvasalia wehrt sich: „Wir sind super pro Fashion – nur eben ohne Show.“ Für ihn geht es nicht um Provokation, sondern um Relevanz. Kleidung, die getragen wird – nicht Kunstobjekte im Museum.

Design ohne Dogma: Kleidermachen statt Diktieren

Ein Angebot statt ein Befehl

Während klassische Modekollektionen ein Narrativ oder Thema vorgeben, beginnt Vetements mit einer simplen Liste: Parka, Jeans, Pullover. Dann wird entschieden, ob der Schnitt oversized oder skinny sein soll.

„Ihr Kleiderschrank zu Hause hat ja auch kein Motto.“

Tabelle: Designprozess bei Vetements vs. klassische Labels

Lese auch:
London Fashion Week Fall/Winter 2017: Kreative Statements zwischen Politik und Poesie
AspektKlassische LabelsVetements
StartpunktKonzept, MoodboardKleidungsstückliste
InszenierungThema mit rotem Fadenunordentlicher Mix
ZielgruppeIdealfigur, Modelimagereale Menschen mit Persönlichkeit
PräsentationHochglanzshowsClubs, Restaurants, offene Räume

Kleidung als Werkzeug – nicht als Kunstwerk

Gvasalia liebt Uniformen – Feuerwehr, Polizei, Security – nicht aus politischem Kalkül, sondern wegen ihrer Wirkung. Aus einem Security-Shirt wurde z. B. ein „Insecurity“-Shirt – ein Spiel mit Bedeutung und Selbstbild.

Identität, Transformation und Ironie

Kleidung verändert – in beide Richtungen

Ein Outfit kann Sicherheit geben, eine Uniform Respekt verschaffen oder Angst auslösen. Kleidung ist kein oberflächliches Thema, sondern eine soziale Waffe – aber eine, die auch Spaß machen darf.

„Ich mag die Ironie daran. Am Ende ist es doch nur Kleidung.“

Anonymität vs. Prominenz: Der Preis des Erfolgs

Vetements startete anonym – weil die Gründer bei anderen Labels arbeiteten. Heute ist Gvasalia das Gesicht, auch weil er zuerst alles auf eine Karte setzte. Der Erfolg kam schneller als erwartet, befeuert durch Social Media und Stars wie Kanye West.

„Wir haben den Hype nicht gesucht – er kam zu uns.“

Marketing, Medien und Menschlichkeit

Keine Kampagnen, keine Promis – sondern Emotion

Vetements lebt von Authentizität. Gvasalia erzählt von einem Teenager, der einen ausverkauften Pullover suchte – er schenkte ihm seinen eigenen. Für ihn zählt nicht Sichtbarkeit, sondern Wirkung.

„Ich hätte fast geweint. Ich wusste: Dafür mache ich das.“

Freitags im Atelier: Kleidung als soziales Bindemittel

Vetements bleibt nah an der Basis: Jeden Freitag lädt Gvasalia Freunde ins Atelier ein – genau jene Menschen, für die er seine Mode entwirft.

Lese auch:
Lineisy Montero – Die leise Revolution auf den Laufstegen der Welt

Fazit: Vetements ist nicht Anti-Fashion – es ist Post-Fashion

Demna Gvasalia hat das System nicht revolutioniert, sondern ignoriert. Statt Trends zu diktieren, entwirft er Kleidung für Menschen, die sich in keine Schublade pressen lassen. Vetements ist kein Hype, sondern Haltung. Kein Rebell – nur jemand, der lieber real bleibt als brillant inszeniert.

Wissen, das dich weiterbringt – direkt in dein Postfach

Keine Sorge – wir respektieren deine Daten. Mit dem Klick auf „Abonnieren“ akzeptierst du unsere Datenschutzerklärung
Voriger Beitrag
Yayoi Kusama Polka Dot

Yayoi Kusama: Unendlichkeit – Kunst gegen das Chaos im Kopf

Nächster Beitrag
London Fashion Week Fall/Winter 2017

London Fashion Week Fall/Winter 2017: Kreative Statements zwischen Politik und Poesie